Projektwilligkeit und -fähigkeit führen zum Fusionserfolg
Alexander May, Manager in der AWADO Services GmbH, sprach mit GENiAL über das Projekt Fusionsmanagement 360, in dem die AWADO Gruppe Unterstützungsleistungen für Transformationsprozesse bündelt.

Herr May, welche Bedeutung hat das Projektmanagement bei einer Fusion?
Alexander May: Eine Fusion gehört für die beteiligten Banken mit zu den komplexesten Projekten Ihrer Unternehmensgeschichte – vielleicht noch vor der Umstellung von bank21 auf agree21. Alle beteiligten Banken haben diverse Aktivitäten umzusetzen – selbst im „einfachen Fall“, wenn eine sehr große Bank mit einer deutlich kleineren Bank fusioniert und die Prozesse der großen Bank im Grunde häufig „nur“ übernommen werden müssen. Dabei lassen sich drei zentrale Bereiche skizzieren: Die juristische Fusion, die organisatorische Fusion sowie die technische Fusion. Darunter subsummieren sich weitere Themen wie steuerliche oder aufsichtsrechtliche Fragestellungen.
Das stellt vor allem Institute, die noch keine oder nur aus ferner Vergangenheit Fusionserfahrung besitzen, vor Herausforderungen – hier kommt neben dem Umfang noch die Neuartigkeit dieses Prozesses hinzu.
Aus meiner Sicht sind das drei Dinge:
- Durch methodische Exzellenz muss es das Projektmanagement schaffen, dass die restlichen Projektbeteiligten sich auf die Inhalte fokussieren können – hier ist wenig Platz für Experimente.
- Die Projektleitung muss umfassende Erfahrung im Management großer Projekte mitbringen – rein theoretisches Wissen lässt in der Anwendung bei Projekten dieser Größe häufig Federn.
- Das Projektmanagement muss eine entsprechende Professionalität aufweisen – Projektpläne in Excel sind hier definitiv fehl am Platz.
Was sind typische Fehler im Projektmanagement einer Fusion?
Auch bei einer Fusion treten die klassischen Fehler des Projektmanagements häufig auf: Zu viel zu schnell mit zu wenig Ressourcen bewerkstelligen wollen. Gerade bei einer Fusion mit den aufsichtsrechtlichen Vorgaben bzgl. der zeitlichen Verortung von verschiedenen Meilensteinen ist eine umfassende Planung vorab mit einer realistischen Einschätzung der notwendigen Zeiten und potentieller Puffer zwingend notwendig. Insbesondere unerfahrene Banken, die sich entscheiden eine Fusion ohne externe Unterstützung durchzuführen, laufen hier Gefahr, Fragestellungen zu unterschätzen.
Wie sieht ihr Ansatz im Projektmanagement aus?
Unser Projektmanagementansatz steht auf zwei Pfeilern: Der Projektwilligkeit und der Projektfähigkeit. Diese beiden gilt es im aller ersten Schritt zu bewerten bzw. herzustellen. Denn fehlt eine dieser beiden Voraussetzungen, ist das Projekt bereits zum Scheitern verurteilt. Während die Projektwilligkeit bei den handelnden Personen meistens gegeben ist (untermauert durch die Bereitstellung entsprechender Ressourcen, die für das Projekt freigestellt werden), stellt die Projektfähigkeit immer wieder ein Problem dar– auch wenn die beteiligten Banken oftmals anderer Meinung sind.
Dies wird insbesondere bei einem Bestandteil (und dem häufig ersten Schritt) des Projekt-managements deutlich: Der Ausgestaltung einer funktionalen Projektorganisation. Deren primäres Ziel ist die effektive und effiziente Entscheidungsfindung im Projektverlauf – denn Entscheidungen müssen zu Genüge getroffen werden.
Diese Projektorganisation bietet dann auch die benötigte Struktur, um die Aktivitäten der bereits zuvor thematisierten Bereiche der juristischen, organisatorischen und technischen Fusion in den jeweiligen Phasen abzuarbeiten.
Um welche Phasen handelt es sich dabei?
Bei der Einteilung der Fusion in Phasen bestehen verschiedene Möglichkeiten – ein „richtig“ oder „falsch“ gibt es hier wohl nicht. Wir unterteilen die Aktivitäten grundsätzlich in sechs Phasen: 1. Sondierung, 2. Vorbereitungsphase, 3. Konzeption Zielbild, 4. Ausarbeitung Konzeption, 5. Umsetzung und 6. Post-Merger. Dabei nimmt der strategische Fokus mit jeder Phase ab, während die operative Arbeit zunimmt. In der Praxis sind die Phasen jedoch nicht „hart“ voneinander getrennt, denn viele Aktivitäten finden übergreifend statt - die Phasengrenzen verschwimmen.

Was ist der Mehrwert durch den Ansatz Fusionsmanagement 360 – insbesondere dem des Projektmanagements?
Insbesondere das Projektmanagement verkörpert die 360 Grad, also die Betrachtung einer Fusion aus allen Perspektiven. Dabei hat das Projektmanagement sinnbildlich die Rolle eines Orchesterdirigenten inne: Es antizipiert Änderungen im Rhythmus des Projekts, steuert zeitgerecht Aktivitäten und den Einsatz von Beteiligten, organisiert Übergangsphasen und ändert, wenn nötig, Instrumente oder Methoden. Das Projektmanagement behält – mit wechselndem Fokus – beständig alles im Blick.
Durch den gemeinsamen Antritt unserer Häuser mit ihren Spezialisten (AWADO-Gruppe, GenoAkademie und GenoPersonalConsult) besteht der große Vorteil, dass jeder den Anderen und seine Spielweise kennt – das Zusammenspiel für eine erfolgreiche Fusion funktioniert ohne zusätzliche Proben oder Diskussionen. Aber auch „Gastspieler“ - wie der jeweilige Prüfungsverband, die Fiducia oder andere durch die Bank beauftragte Dienstleister – werden so durch das Projektmanagement dirigiert, dass sie ohne Dissonanzen Ihren Anteil zu der Fusion beitragen können.
Weiterhin muss ein gutes Projektmanagement auf allen Ebenen wirken: Von der Entscheiderebene über die Managementebene bis zur Operative und überall sowohl interne als auch externe Aspekte beachten. Dafür besetzen wir die Rollen mit unterschiedlichen Experten, die verschiedene Schwerpunkte und Erfahrungen mitbringen.
Zum Abschluss – was ist aus ihrer Sicht das wichtigste Element des Projektmanagements?
Neben der bereits erwähnten vorausschauenden Planung ist das A und O einer Fusion eine effektive und effiziente Kommunikation zu und insbesondere mit den Stakeholdern. Eine regelbasierte und schlanke Projektkommunikation unterstützt die Projektorganisation nachhaltig und dient den Projektleitern als ständiger „Pulsmesser“ des Projekts. In der Folge verfügt die Projektleitung über eine klare Sicht aller tatsächlich laufenden Aktivitäten und kann Schwächen/Problemstellungen frühzeitig identifizieren. Dabei sollten die Kommunikationsrhythmen im Sinne der Agilität stets kurzgehalten und bei Bedarf angepasst werden.
Auf diese Weise werden alle Stakeholder, d.h. alle direkt und indirekt am Projekt Beteiligte, regelmäßig abgeholt - das Commitment für die Fusion steigt.
Dr. Volker Hetterich, GENiAL | 5-2021