BGH: Unverhältnismäßiges Verbot von Mobiltelefonen und Laptops in der Hauptversammlung
Genossenschaftsrecht
Auf einen Blick
Das Kammergericht Berlin erklärte Beschlüsse einer Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft wegen eines Mitführverbots von Handys und Laptops für unwirksam.
Das Verbot war nach Auffassung des Gerichts unverhältnismäßig und verletzte das gesetzlich garantierte Teilnahmerecht der Aktionäre.
Auch der BGH bestätigte, dass sich ein solches Verbot nicht allein auf die Ordnungs- und Leitungsbefugnis des Versammlungsleiters stützen lässt.
Die Entscheidungen zeigen: Maßnahmen zum Versammlungsschutz dürfen die effektive Ausübung von Aktionärsrechten nicht über Gebühr einschränken.
Sachverhalt
In einer Hauptversammlung der beklagten Aktiengesellschaft wurde in der Einladung ausdrücklich festgelegt, dass Bild- und Tonaufnahmen nicht gestattet seien. Die Einladung zur Hauptversammlung enthielt folgenden Passus:
„Zur Aufrechterhaltung der Ordnung in der Hauptversammlung und zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der Aktionäre werden Bild- und Tonaufnahmen während der Hauptversammlung nicht gestattet sein. Geräte, die sich zur Bild- oder Tonaufnahme eignen, dürfen von den Aktionären nicht mitgeführt werden. Am Eingang wird eine Einlasskontrolle durchgeführt werden.“
Aktionären, die sich weigerten, ihre Mobiltelefone und Laptops bei der Einlasskontrolle abzugeben, wurde der Zutritt zum Versammlungssaal verwehrt. Die betroffenen Aktionäre erhoben daraufhin Anfechtungsklage gegen die auf dieser Versammlung gefassten Beschlüsse.
Entscheidungsgründe
Das Kammergericht (KG) Berlin entschied mit Urteil vom 26. Januar 2024, Az. 14 U 122/22, dass das Mitführverbot unverhältnismäßig in das Teilnahmerecht der Aktionäre (gemäß § 118 AktG) eingreift und wies somit die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Berlin II Littenstraße, Urteil vom 19. Juli 2022, Az. 100 O 54/19, zurück. Es gebe zwar eine Versammlungsleiterbefugnis, mit der sich die Ordnung in der Hauptversammlung aufrechterhalten lasse; die Maßnahme dürfe aber nicht das Kernrecht der Aktionäre, also die Teilnahme, unangemessen einschränken. Ein generelles Laptop- und Handyverbot führe praktisch dazu, dass Aktionäre nicht effektiv an der Versammlung teilnehmen können, beispielsweise weil sie ihre Unterlagen nicht abrufen oder sich nicht spontan abstimmen können. Ein generelles Verbot, bild- oder tonaufzeichnungsfähige Geräte in den Versammlungssaal einer Hauptversammlung mitzuführen, sei unzulässig und führe zur Anfechtbarkeit der auf der Hauptversammlung gefassten Beschlüsse.
Die klagenden Aktionäre wurden durch dieses Verbot in ihrem Teilnahmerecht nach § 118 AktG beeinträchtigt. Eine entsprechende Regelung findet sich weder in der Satzung der Beklagten noch ist das Verbot von der Ordnungsbefugnis des Versammlungsleiters gedeckt. Der Versammlungsleiter ist verpflichtet, bei der Ausübung seiner Befugnisse das Gebot der Sachlichkeit, das Gleichbehandlungsgebot sowie das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten. Das ausgesprochene Verbot stellt eine unverhältnismäßige Einschränkung des durch Artikel 14 Grundgesetz geschützten Teilnahmerechts der Aktionäre an der Hauptversammlung dar. Zum Schutz der Persönlichkeitsrechte der Versammlungsteilnehmer stehen mildere Mittel zur Verfügung, etwa das Verbot der tatsächlichen Anfertigung von Aufzeichnungen oder der Einsatz technischer Vorrichtungen wie Kamera- und Mikrofonblocker. Die von der Beklagten angebotenen Ausgleichsmaßnahmen, beispielsweise die Bereitstellung von PCs im Versammlungssaal, genügen nicht, um den erheblichen Eingriff in die Arbeitsmöglichkeiten der Aktionäre angemessen auszugleichen.
Der BGH wies mit Beschluss vom 08. Juli 2025, Az. II ZR 24/24, die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten zurück und bestätigte die Auffassung des KG, wonach das Mitführverbot nicht rechtmäßig war.
Fazit
Das KG Berlin misst dem Recht auf durchgehende Konnektivität eine erhebliche Bedeutung bei. Es verdeutlicht zudem, dass selbst die Option, elektronische Geräte außerhalb des Versammlungssaals zu nutzen, sowie weitere Kompensationsmaßnahmen – wie etwa die Bereitstellung eines Notfalltelefons oder eines internetfähigen Computers im Versammlungssaal – den Eingriff in das Teilnahmerecht nicht hinreichend abschwächen. Dies gilt insbesondere dann, wenn solche Ausgleichsmaßnahmen in der Einladung zur Versammlung nicht ausdrücklich angekündigt werden.
Die Entscheidung des KG Berlin wirft zudem die grundsätzliche Frage auf, ob generelle Handyverbote in Hauptversammlungen rechtlich zulässig sind. Im Mittelpunkt des Urteils stand die Problematik, ob der Einladende – regelmäßig der Vorstand – oder der Versammlungsleiter, in der Praxis zumeist der Vorsitzende des Aufsichtsrates, im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeiten ein Handyverbot aussprechen dürfen. Ungeklärt bleibt damit, ob ein in der Satzung verankertes Handyverbot einer gerichtlichen Überprüfung standhalten würde. Die Rechtslage hinsichtlich Anfechtungsklagen gegen Hauptversammlungsbeschlüsse bleibt somit weiterhin offen und bietet Raum für weitere Entwicklungen.

