23. Oktober 2025
3 Min.

BGH: Haftung des Vermieters für Winterdienst auf WEG-Gemeinschaftsflächen

ImmoR

Auf einen Blick

  • Der Vermieter bleibt verantwortlich für sichere Zugänge zur Mietsache – auch bei WEG-Eigentum

  • Eine Delegation an einen Winterdienst/Dienstleister entlastet den Vermieter nicht; Haftung für Erfüllungsgehilfen (§ 278 BGB)

  • Vertragsklauseln zur Betriebskostenumlage oder Mieterpflichten begründen ohne klare Abrede keinen Haftungsausschluss

Sachverhalt

Die Klägerin mietete eine Eigentumswohnung der Beklagten in einem Mehrfamilienhaus. Die Wege auf dem Grundstück stehen im gemeinschaftlichen Eigentum der Wohnungseigentümer und wurden im Winter durch eine von der Gemeinschaft beauftragte GmbH geräumt und gestreut. Im Mietvertrag war geregelt, dass die Mieterin Betriebskosten für Schneebeseitigung und Streuen „nach Eigentumsanteil“ zu tragen habe. Zudem enthielt der Vertrag eine Klausel, wonach die Mieterin die Zugangswege zu reinigen und bei Glätte zu streuen habe, allerdings nur, soweit diese Arbeiten nicht anderweitig vorgenommen und über die Betriebskosten abgerechnet werden.

Am 30. Januar 2017 stürzte die Mieterin gegen 7:30 Uhr beim Verlassen des Hauses auf einem vereisten, nicht gestreuten Weg auf dem Gemeinschaftsgrundstück und verletzte sich erheblich. Sie verlangte unter anderem ein Schmerzensgeld in Höhe von 12.000 Euro mit der Begründung, die Vermieterin habe ihre Räum- und Streupflichten verletzt.

Das Amtsgericht Wetzlar gab der Klage insoweit statt und sprach 12.000 Euro Schmerzensgeld zu. Das Landgericht Limburg a. d. Lahn wies die Klage in der Berufung vollständig ab. Es vertrat die Auffassung, durch die Übertragung des Winterdienstes an einen professionellen Dienstleister komme eine Haftung der Vermieterin nur bei Verletzung von Überwachungs- und Kontrollpflichten in Betracht, wofür es an Anhaltspunkten fehle. Die Mieterin legte Revision ein.

Prozessverlauf

Das Amtsgericht Wetzlar (Urteil vom 16. Februar 2023 - 35 C 158/21) hat der Klage auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in Höhe von 12.000 € nebst Zinsen sowie vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Landgericht Limburg a. d. Lahn (Urteil vom 6. Oktober 2023 - 3 S 32/23) das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Übertragung der winterlichen Räum- und Streupflicht durch die Wohnungseigentümergemeinschaft auf einen professionellen Hausmeisterdienst führe dazu, dass eine Haftung der beklagten Vermieterin nur bei Verletzung von Überwachungs- und Kontrollpflichten gegenüber dem beauftragten Unternehmen in Betracht komme; hierfür seien im Streitfall keine Anhaltspunkte ersichtlich.

Entscheidungsgründe

Der Bundesgerichtshof hob das Urteil des Landgerichts mit seinem Urteil vom 6. August 2025 - VIII ZR 250/23 auf. Er stellte klar, dass der Vermieter aus dem Mietvertrag verpflichtet ist, den sicheren Zugang zur Mietsache zu gewährleisten; dazu gehört in den Wintermonaten das Räumen und Streuen der Wege (§ 535 Abs. 1 Satz 2, § 241 Abs. 2 BGB). Diese Pflicht besteht auch dann, wenn die betroffenen Wege im Gemeinschaftseigentum einer WEG stehen; maßgeblich ist die Stellung als Mietvertragspartei, nicht die Eigentumslage. Mietvertragliche Regelungen zur Betriebskostenumlage oder eine nur bedingt formulierte Mieterpflicht („soweit nicht anderweitig vorgenommen“) verlagern die Räum- und Streupflicht nicht eindeutig auf den Mieter und schließen die Haftung des Vermieters nicht aus. Beauftragt die WEG oder der Vermieter einen Winterdienst, handelt dieser als Erfüllungsgehilfe des Vermieters; dessen Verschulden wird nach § 278 BGB wie eigenes zugerechnet. Eine Reduktion der Vermieterhaftung auf bloße Auswahl- oder Überwachungspflichten (deliktsrechtlicher Maßstab) lehnt der BGH im mietvertraglichen Kontext ab, weil der Mieter auf die Vertragserfüllung durch seinen Vermieter vertrauen darf und typischerweise keinen Einfluss auf die Auswahl des Dienstleisters hat. Auf dieser Grundlage ist ein Schmerzensgeldanspruch nicht ausgeschlossen; das Berufungsurteil wurde aufgehoben und zur weiteren Tatsachenaufklärung zurückverwiesen.

Fazit

Das Urteil macht deutlich, dass Vermieter von Eigentumswohnungen denselben Pflichten unterliegen wie alle anderen Vermieter. Sie tragen die volle vertragliche Verantwortung für die Verkehrssicherheit auf den Zugangsflächen zur Wohnung – unabhängig von der Eigentumsstruktur des Grundstücks und davon, wer den Winterdienst tatsächlich ausführt. Für die Wohnungswirtschaft bedeutet dies, innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft eindeutige Zuständigkeits- und Kontrollregelungen zu schaffen. Jeder einzelne Eigentümer hat einen verlässlich funktionierenden Winterdienst zu gewährleisten, da er im Außenverhältnis seinem Mieter gegenüber uneingeschränkt haftet.

Die Entscheidung stärkt die vertragliche Position von Mietern und zwingt Vermieter – auch innerhalb von WEG-Strukturen – zu einer belastbaren, dokumentierten Organisation des Winterdienstes. Eine Delegation bleibt möglich, befreit aber nicht von der Haftung für ordnungsgemäße Erfüllung.

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