EnWG-Novelle 2026: Übergangslösung für Kundenanlagen – Rechtssicherheit auf Zeit
ImmoR
Auf einen Blick
- Bundestag beschloss am 13.11.2025 eine Übergangsregelung (§ 118 Abs. 7 EnWG n.F.) für Bestands-Kundenanlagen bis 31.12.2028
- Bestandsanlagen bleiben vorerst keine Verteilernetze; Neuanlagen sind nicht erfasst
- EU-Rechtskonformität der Übergangslösung ist zweifelhaft; weiterer Gesetzgebungsbedarf
Sachverhalt
Die jüngsten Entscheidungen von EuGH und BGH zum Kundenanlagenbegriff haben die bisherige deutsche Systematik ins Wanken gebracht. Der EuGH hat am 28.11.2024 (C‑293/23 – ENGIE Deutschland) den deutschen Kundenanlagenbegriff nach § 3 Nr. 24a EnWG in seiner bisherigen Reichweite als unionsrechtswidrig eingeordnet. Der BGH folgte dem mit einer richtlinienkonformen Auslegung und begrenzt den Anwendungsbereich: Eine Kundenanlage kann danach nur noch vorliegen, wenn das Leitungssystem kein Verteilernetz im Sinne der Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie (EU) 2019/944 ist. Die Folge: Große Rechtsunsicherheit für dezentrale Versorgungskonzepte, Quartierslösungen und Mieterstrom.
Der Gesetzgeber reagiert nun mit einer bewusst schlanken, zeitlich befristeten Überbrückung: Mit der EnWG-Novelle (BT‑Drs. 21/2793) wurde am 13.11.2025 eine Übergangsregelung beschlossen, die die „bisherige Rechtslage“ für Bestandsanlagen bis zum 31.12.2028 konserviert. Konkret ordnet § 118 Abs. 7 EnWG n.F. an, dass Vorgaben für Verteilernetze auf bereits vor Inkrafttreten der Novelle an ein Energieversorgungsnetz angeschlossene Kundenanlagen erst ab dem 01.01.2029 Anwendung finden sollen. Bis dahin sind deren Betreiber nicht als Netzbetreiber zu behandeln. Maßgeblich ist der Netzanschlusszeitpunkt: Die Anlage muss bei Inkrafttreten bereits angeschlossen sein.
Für Neuanlagen greift die Übergangsregelung nicht. Hier gilt – sofort – die unionsrechtskonforme Auslegung des Kundenanlagenbegriffs. Die Gesetzesbegründung signalisiert zwar, dass Versorgungsanlagen innerhalb eines Gebäudes (Hausverteilungsanlagen/Hausinstallationen) weiterhin als Kundenanlagen eingeordnet werden können; die Eigentumsverhältnisse an der Hausinstallation sollen unbeachtlich sein. Über diese „klaren Fälle“ hinaus erkennt der Gesetzgeber jedoch erhebliche Abgrenzungsprobleme. Insbesondere bei Anlagen, die sich über mehrere Gebäude/Grundstücke erstrecken oder Strom an Dritte verkaufen, droht die Einordnung als Verteilernetz mit den entsprechenden Pflichten.
Die Übergangsregelung verschafft damit vor allem Zeit – sie ist keine materielle Neudefinition. Sie soll zwei Dinge ermöglichen: Erstens eine tragfähige, unionsrechtskonforme Endregelung in einem geordneten Verfahren (ggf. unter Einbindung der EU‑Kommission); zweitens den Betreibern die Chance, sich strukturell auf eine mögliche Netzeinordnung vorzubereiten. In den Materialien werden als Optionen insbesondere die Übereignung der Verteilungsanlagen an den vorgelagerten Netzbetreiber oder Pacht-/Betriebsführungsmodelle mit diesem genannt. Bilanzielle und prüferische Fragen (z.B. Behandlung der Anlagen, Chancen-/Risikobericht) können für die Jahre bis 2028 ebenso geordnet adressiert werden.
Gleichzeitig ist die Übergangslösung rechtlich nicht risikofrei. Sie konserviert einen unionsrechtswidrigen Zustand „auf Zeit“. Ob eine solche Moratoriumslösung unionsrechtlich Bestand hat, ist offen. Bis zu einer etwaigen gerichtlichen Klärung dürfte die Frist in der Praxis allerdings weitgehend ablaufen. Für die Projektentwicklung ist die Unsicherheit dennoch gravierend: Neue Quartiers- und Mieterstromprojekte fallen nicht unter den Bestandsschutz und müssen die strengeren Maßstäbe (Verteilnetz vs. Kundenanlage, ggf. geschlossenes Verteilernetz nach § 110 EnWG, Bürgerenergiegemeinschaften) von Beginn an abbilden. Auch bei Bestandsanlagen ist unklar, ob und welche Änderungen/Erweiterungen den Übergangsschutz gefährden könnten.
Ausblick
Der Bundestag hat die Bundesregierung ausdrücklich aufgefordert, zeitnah eine unionsrechtskonforme, praxistaugliche Endregelung zu erarbeiten, die unnötige Bürokratie vermeidet und verbleibende Spielräume des EU‑Rechts nutzt. Bis dahin bleibt es bei Rechtssicherheit „auf Zeit“ für Bestandsanlagen und erheblicher Planungsunsicherheit für neue Vorhaben. Betreiber sollten die Übergangsphase nutzen, um Fakten, Verträge und Optionen so vorzubereiten, dass sie 2029 ohne Hektik und Wertverlust in eine neue Rollenverteilung wechseln können – oder ihre Anlage tragfähig im verbleibenden Kundenanlagen-Korridor halten.
Fazit
Die EnWG‑Novelle bringt keinen inhaltlichen Befreiungsschlag, aber eine dringend benötigte Atempause für Bestands‑Kundenanlagen bis Ende 2028. Für Neuprojekte bleibt die Lage anspruchsvoll. Wer jetzt seine technische und vertragliche Aufstellung prüft, Alternativen entwickelt und das Gespräch mit dem VNB sucht, minimiert Transformations- und Vollzugsrisiken – und ist bereit, wenn der Gesetzgeber die finale Linie zieht.

