09. Dezember 2025
2-3 Min.

AML-Meldungen neu gedacht durch aktuelle Orientierungshilfe von BaFin und FIU

Geldwäschegesetz (GwG)

Auf einen Blick

  • BaFin und die FIU haben eine neue Orientierungshilfe herausgegeben, die Verpflichteten mehr Klarheit über Verdachtsmeldungen geben soll.
  • Unverzüglich heißt: Meldungen am selben, spätestens am folgenden Werktag (außer Samstags), sobald objektive Tatsachen vorliegen und die FIU ohne Rückfragen analysieren kann.
  • Vollständigkeit meint inhaltlich alle melderelevanten Tatsachen und formal deren strukturierte Erfassung im goAML-Formular; Anlagen sind nur ergänzend zulässig.
  • Zweistufige Entscheidung: eng begrenzte Vorprüfung zur Tatsachenbildung, dann sofortige Meldung; ausufernde Eigenrecherchen sind unzulässig und bußgeldträchtig.
  • Ab 1. März 2026 setzt die GwGMeldV verbindliche Mindestangaben und Datenstandards; Verstöße führen zu Nachbesserungen bis hin zu aufsichtsrechtlichen Maßnahmen.

Sachverhalt

BaFin und FIU haben ihre gemeinsame Orientierungshilfe zur Unverzüglichkeit und Vollständigkeit von Verdachtsmeldungen konkretisiert und das Spannungsverhältnis zwischen Schnelligkeit und Substanz neu austariert (vgl. BaFin - Orientierungshilfe Verdachtsmeldewesen - Orientierungshilfe von BaFin und FIU zu Verdachtsmeldungen). Unverzüglichkeit wird am Maßstab des § 121 Abs. 1 BGB („ohne schuldhaftes Zögern“) gemessen, ohne starre Fristen, jedoch mit einer klaren Erwartung: Liegen bereits Tatsachen vor, die eine aus sich heraus verständliche, für die FIU nachvollziehbare Meldung tragen, ist diese regelmäßig am selben, spätestens am folgenden Werktag abzugeben; der Samstag gilt ausdrücklich nicht als Werktag. Zugleich ist der Meldezeitpunkt erst dann erreicht, wenn der Sachverhalt so aufbereitet ist, dass die FIU ihre Analyse nach § 28 Abs. 1 Satz 3 Nrn. 2 und 8 GwG ohne Rückfragen beginnen kann. Die Vollständigkeit verlangt inhaltlich die Meldung sämtlicher Tatsachen, die auf die in § 43 Abs. 1 GwG genannten Sachverhalte hindeuten, und formal deren Abbildung in den strukturierten Feldern des goAML-Formulars bzw. im XML-Schema; schwer auswertbare Anlagen dürfen diese Struktur nicht ersetzen. Neu akzentuiert ist die zweistufige Entscheidungslogik: Zunächst ist zu prüfen, ob objektive, aussagekräftige Anhaltspunkte vorliegen, die über bloße Auffälligkeiten und Mutmaßungen hinausgehen. Anschließend ist zu entscheiden, ob diese Tatsachen bereits eine in sich verständliche Meldung tragen. Vorlagerte Sachverhaltsaufklärung ist eng begrenzt und ersetzt keine Strafverfolgung. Nach Überschreiten der Schwelle ist unverzüglich zu melden; ergänzende Nachmeldungen bleiben möglich. Die Orientierungshilfe verweist auf FIU-Typologiepapiere sowie das Eckpunktepapier zu grundsätzlich nicht meldepflichtigen Sachverhalten (§ 43 Abs. 5 Satz 2 GwG) als beurteilungsleitend. Das OLG Frankfurt betont den Vorrang der Unverzüglichkeit vor ausufernden Eigenrecherchen; die Bewertung von Glaubwürdigkeit/Glaubhaftigkeit von Kundenangaben ist nur eng begrenzt zulässig. Prozessual werden interne Organisation und Dokumentation verschärft: Hinweise sind unverzüglich zu bewerten, zu dokumentieren und weiterzuleiten. Der Geldwäschebeauftragte entscheidet weisungsfrei; Gatekeeper-Strukturen sind unzulässig. Gründe gegen eine Meldung sind fünf Jahre aufzubewahren. ZAG-Institute mit Inlandsbezug und ihre Agenten melden an die deutsche FIU und registrieren sich im goAML-Portal. Zum 1. März 2026 führt die GwGMeldV bundeseinheitliche Mindestangaben und strukturierten Datenzwang ein und ermöglicht der FIU Nachbesserungsanforderungen; wiederholte, systematische oder vorsätzliche Verstöße können zu aufsichtsrechtlichen Maßnahmen führen. 

Rechtliche Bewertung

Die Orientierungshilfe verdichtet bestehende Pflichten und hebt den materiellen sowie formellen Standard für Verdachtsmeldungen. Rechtlich maßgeblich ist der Gleichlauf von Unverzüglichkeit und Vollständigkeit: Der Zeitpunkt der Meldung wird durch das Vorliegen objektiver Tatsachen unter § 43 Abs. 1 GwG definiert, nicht durch das Ende einer umfassenden, eigenständigen Ermittlung. „Ohne schuldhaftes Zögern“ (§ 121 Abs. 1 BGB) konkretisieren BaFin und FIU durch die Erwartung „am selben, spätestens am folgenden Werktag“, wobei der Samstag kein Werktag ist. Damit wird die zeitliche Schwelle enger gefasst, zugleich aber die inhaltliche Messlatte angehoben, indem eine aus sich heraus verständliche, für die FIU analysierbare Darstellung gefordert wird. Der Verzicht auf starre Fristen bewahrt den risikobasierten Ansatz, die faktische Fristlinie stärkt jedoch die Durchsetzbarkeit. Vollständigkeit bedeutet zunächst inhaltlich die Erfassung sämtlicher Tatsachen, die für Vortaten der Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung sprechen, unabhängig von Transaktionsvolumina, Zeitpunkten (inklusive rückblickend erkannter Relevanz) und unter Einschluss von Geschäftsanbahnungen. Formal verlangt der Standard die strukturierte Erfassung im goAML-Formular; die GwGMeldV macht diese Linie ab 1. März 2026 verbindlich und erlaubt der FIU, Nachbesserungen anzuordnen. Diese Formalisierung reduziert den Beurteilungsspielraum, erhöht aber die Rechtssicherheit und Interoperabilität. Die zweistufige Entscheidungslogik – eng begrenzte Vorprüfung, dann Meldung – verengt bewusst das Feld für „defensive reporting“ und für das Hinauszögern durch Eigenrecherchen. Das OLG Frankfurt stützt diese Linie: Vorrang der Unverzüglichkeit, nur begrenzte Plausibilisierung von Kundenangaben, kein Ersatz der Ermittlungsbehörden durch Verpflichtete. Alerts, externe Hinweise und Auffälligkeiten sind daher Anlass für die rasche, fokussierte Verdichtung zu Tatsachen; mit Erreichen der Tatsachenebene entfällt die Zulässigkeit weiterer Nachfragen beim Kunden schon wegen des Tipping-off-Risikos (§ 47 GwG). In komplexen Sachverhalten verschiebt sich der Meldezeitpunkt auf den Moment, in dem die Gesamtschau meldeauslösend wird; danach ist ohne Verzögerung zu melden, gegebenenfalls mit Nachmeldungen. Besondere Beachtung verdient § 43 Abs. 1 Nr. 3 GwG zur nicht offengelegten Veranlassung durch den wirtschaftlich Berechtigten. Der Wortlaut spricht für eine eigenständige Meldepflicht bereits bei Verstoß gegen die Offenlegungspflicht; die BaFin-AuA lassen jedoch eine risikoorientierte Bewertung des äußeren und inneren Sachverhalts zu, entlang Ungewöhnlichkeit und Auffälligkeit im Kontext der Geschäftsbeziehung. Ergebnis ist kein Freibrief, sondern ein eng gerahmter Beurteilungsspielraum, der durch FIU-Typologiepapiere und das Eckpunktepapier im Einzelfall weiter verengt werden kann. Sanktions- und Prüfungsrahmen schärfen die Durchsetzung: Nicht rechtzeitige oder unvollständige Meldungen sind ordnungswidrig (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 69 GwG). Die Aufsicht prüft retrospektiv, ob sachfremde Erwägungen, offenkundige Unrichtigkeiten oder die Missachtung allgemein gültiger Bewertungsmaßstäbe vorlagen. Dieser Kontrollmaßstab entspricht dem eng bemessenen Ermessensspielraum; Typologiepapiere können diesen im Ergebnis gegen Null führen. Flankierend verpflichtet die BaFin-AuA 2025 zu unverzüglicher interner Bewertung von Hinweisen, weisungsfreier Entscheidungskompetenz des Geldwäschebeauftragten, Verbot von Gatekeeper-Stufen und fünfjähriger Aufbewahrung dokumentierter Nichtmeldegründe. ZAG-Institute mit Inlandsbezug und deren Agenten sind eindeutig der deutschen FIU zugeordnet; die goAML-Registrierung ist zwingend. Die formale Qualitätssteigerung der Meldungen korrespondiert mit der Digitalisierungspflicht. Die GwGMeldV wird ab 1. März 2026 bundeseinheitliche Mindestangaben und strukturierte Daten verbindlich machen, inklusive der Möglichkeit der FIU, Nachbesserungen zu verlangen. Wiederholte, systematische oder vorsätzliche Verstöße können in aufsichtsrechtliche Maßnahmen münden. Daraus folgt ein antizipierender Anpassungsdruck auf Datenmodelle, Schnittstellen und Prozesse, damit die Pflichtfelder und Plausibilitäten des goAML-Schemas nativ abgebildet werden. Im Meldeökosystem sind Schnittstellen zu anderen Rechtsregimen sauber zu trennen. Die Verdachtsmeldung ist keine Strafanzeige und erfordert keinen strafprozessualen Anfangsverdacht; gleichwohl kann parallel eine Strafanzeige geboten sein. Neuere gesetzgeberische Entwicklungen sehen die Angabe vor, ob bereits Strafanzeige erstattet wurde. Eine Strafanzeige ersetzt die geldwäscherechtliche Meldepflicht nicht, ebenso wenig ersetzt die Verdachtsmeldung Meldungen an Gefahrenabwehrbehörden bei akuten Risiken. Daneben bleiben weitere Pflichten, etwa Unstimmigkeitsmeldungen nach § 23a GwG, systemisch zu verorten, ohne den Kernprozess der Verdachtsmeldung zu verwässern. Governance, Kultur und Technik werden zum rechtlichen Erfolgsfaktor. Die geforderte Unverzüglichkeit ist ohne erklärte und auditierbare Automatisierung kaum erfüllbar. Rechtlich belastbar ist nur, was erklärbar ist: Scoring-Modelle benötigen nachvollziehbare Regeln, Reproduzierbarkeit und eine Dokumentation der Schwellenentscheidungen. Eine „Schwellenampel“, die den Übergang von Auffälligkeit zu Tatsache evidenzbasiert operationalisiert, stärkt die Verteidigungsfähigkeit gegenüber der Aufsicht. Die Weisungsfreiheit des Geldwäschebeauftragten, schlanke Eskalationen und eine transparente interne Kommunikation der Nichtmeldegründe erhöhen sowohl Rechtssicherheit als auch organisatorische Disziplin. 

Fazit

Verpflichtete müssen jetzt radikal umsteuern: Schwellen, Fristen, Inhalte und Form der Verdachtsmeldung sind enger, verbindlicher und digitaler gefasst. 

Praktisch bedeutet das erstens, Unverzüglichkeit prozessierbar zu machen: Implementieren Sie eine zweistufige Triage mit klaren Kriterien für die Tatsachenbildung, System-SLAs „am selben, spätestens am folgenden Werktag“ und technischer Kennzeichnung der Meldeschwelle, wobei der Samstag nicht als Werktag zählt. 

Zweitens ist Vollständigkeit strukturiert sicherzustellen: Spiegeln Sie das goAML-Datenmodell im Frontend, erzwingen Sie Pflichtfelder und Plausibilitäten, reduzieren Sie Freitext und verlagern Sie relevante Informationen in die strukturierten Felder; bereiten Sie Ihre Datenarchitektur auf die Mindestangaben der GwGMeldV zum 1. März 2026 vor. 

Drittens braucht es konsequente Dokumentation: Protokollieren Sie jeden Hinweis, jede Vorprüfung, jede Schwellen- und Meldeentscheidung sowie jede Begründung für das Absehen von einer Meldung zeit- und inhaltsgenau und bewahren Sie diese fünf Jahre auf. 

Viertens sind Governance und Kultur zu schärfen: Stärken Sie die Weisungsfreiheit des Geldwäschebeauftragten, beseitigen Sie Gatekeeper-Stufen, verankern Sie psychologische Sicherheit bei internen Hinweisen und trainieren Sie den Verzicht auf ausufernde Eigenrecherchen zugunsten schneller, typologiebasierter Entscheidungen. 

Fünftens ist das Zusammenspiel der Rechtswege zu ordnen: Trennen Sie Verdachtsmeldungen, Strafanzeigen und Gefahrenabwehr sauber, kennzeichnen Sie parallele Anzeigen im Meldebogen und verorten Sie weitere Pflichten wie § 23a GwG systemisch, ohne die SAR-Logik zu verlangsamen. 

Sechstens sollten ZAG-Institute und deren Agenten ihre Meldeketten auf den deutschen FIU-Bezug ausrichten und die goAML-Registrierung sowie Schnittstellenrobustheit sicherstellen. 

Siebtens empfiehlt sich eine erklärbare Automatisierung: Überführen Sie FIU-Typologien und das Eckpunktepapier in Erkennungslogiken, etablieren Sie eine transparente „Schwellenampel“, steuern Sie mit dualen Kennzahlen aus Schnelligkeit (z. B. Time-to-SAR) und Qualität (FIU-Rückfragen- und Nachbesserungsquoten) und sichern Sie Tipping-off-Kontrollen systemisch ab. 

Der operative Leitsatz lautet: Wenn Tatsachen vorliegen, melden – kurz, strukturiert und so, dass die FIU ohne Rückfragen versteht, was Sie wissen. Wenn Tatsachen noch nicht vorliegen, klären – rasch, fokussiert, dokumentiert. Wer jetzt Prozesse, Systeme und Kultur entlang dieser Leitplanken ausrichtet und die GwGMeldV antizipiert, reduziert Bußgeld- und Aufsichtsrisiken spürbar, stärkt die regulatorische Glaubwürdigkeit und gewinnt Geschwindigkeit und Qualität in einem Regime, das beides verlangt.

Dr. Jur. A. Dominik Brückel

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Dr. Jur. A. Dominik Brückel

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

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