Was Sie über die Bewertung von Start-ups wissen sollten!
9. November 2022
Start-up-Bewertungen haben für Gründerinnen und Gründer sowie deren (potenziellen) Investoren gleichermaßen eine hohe Bedeutung. Denn sie bilden die Basis für die Verhandlungen darüber, zu welchen Konditionen Anteile am Start-up erworben werden können. Im Spannungsfeld zwischen Anteilsangebot und -nachfrage können marktnahe und transparente Unternehmensbewertungen helfen, zwischen den unterschiedlichen Interessen zu vermitteln und eine Verhandlungslösung herbeizuführen.
Im Interview mit Enid Omerovic, Unternehmensberater bei der AWADO GmbH WPG StBG, sprachen wir über das „Wieso, Weshalb und Warum?“ einer Start-up Bewertung und über unterschiedliche Ansätze sowie Abgrenzungen zur originären Unternehmensbewertung.
Welche Besonderheiten sind bei der Start-up-Bewertung zu beachten?
E. Omerovic: Traditionelle Bewertungsverfahren wurden entwickelt, um etablierte Unternehmen zu bewerten. Diese zeichnen sich zum einen dadurch aus, dass eine angemessen lange Unternehmenshistorie sowie umfangreiche bewertungsrelevante Zeitreihen (Wachstum, Kostenstruktur, Profitabilität etc.) zur operativen Entwicklung des Unternehmens verfügbar sind. Zum anderen sind etablierte Unternehmen meist auf entwickelten Märkten tätig, über deren Strukturen sowie Marktvolumen und -wachstum unter den Marktteilnehmern breiter Konsens besteht.
Im Gegensatz hierzu agieren Start-ups auf jungen oder noch nicht existenten Märkten, bei denen die Vorstellungen der Marktteilnehmer über das Marktwachstum und -volumen sowie die Marktstrukturen üblicherweise weit auseinanderfallen. Charakteristisch für Start-ups sind auch disruptive Geschäftsmodelle, die bestehende Marktstrukturen aufbrechen und überdurchschnittliches Wachstum durch Marktanteilsverluste wenig innovativer Marktteilnehmer generieren. Zudem stehen bei Start-ups nur sehr begrenzt bewertungsrelevante Finanzdaten zur Verfügung.
Grund hierfür ist die naturgemäß kurze Firmenhistorie und die fehlende Vergleichbarkeit mit ähnlichen, weiterentwickelten Geschäftsmodellen. Auch die für die Diskontierung der bewertungsrelevanten Free Cashflows notwendigen Kapitalkosten lassen sich unter diesen Bedingungen nicht nach dem Standardverfahren aus der modernen Kapitalmarkttheorie ermitteln. Den vergleichsweise hohen operativen Risiken (insb. aufgrund knapper finanzieller Ressourcen) muss mit alternativen Risikomodellen Rechnung getragen werden. Darüber hinaus unterliegt die Erlös- und Kostenstruktur bei Start-ups durch das im Vergleich zu etablierten Unternehmen außerordentliche Mitarbeiter- und Umsatzwachstum einem kontinuierlichen Anpassungsprozess, der oft erst mit Erreichen der „Later Stage“ abgeschlossen ist. Die dem innovativen und skalierbaren Geschäftsmodell inhärenten Wachstumsperspektiven von Start-ups sind zugleich eines der wesentlichen Differenzierungsmerkmale gegenüber gewöhnlichen Gewerbegründungen.